Dienstag, 21. Februar 2012

Nach dem AKW-Restrisiko kommt das Blackout-Risiko

Die Stromversorgung stand Anfang Februar vor dem Kollaps. Schuld waren angeblich „profitgierige Stromhändler." Die unbequeme Wahrheit aber sieht anders aus.
Die energiepolitische Debatte verläuft in Deutschland umgekehrt proportional zu den Außentemperaturen: Hitzig diskutiert wird, wenn draußen Frost herrscht. Denn zu diesen Zeiten ist die Energienachfrage besonders hoch, die Leitungsnetze sind überlastet, und hinter der nächsten Ecke droht der Blackout, der großflächige Stromausfall, der in der größten europäischen Industrienation die Lichter ausgehen lässt.

Haendler sollen Stromnetz an Rand des Zusammenbruchs getrieben haben
Foto: dapd/DAPD Die Gefahr eines Blackouts bedeutet: Zusammenbruch der Kommunikation, Ausfall großer Teile des öffentlichen Verkehrs, Tausende Gestrandete in Bahnhöfen und Flughäfen, eventuell auch Todesopfer
Jetzt, da es draußen wärmer und die Versorgung mit Strom und Gas wieder sicher ist, kühlt die Debatte rasch ab. Die temporäre Entspannung gibt Gelegenheit, die Geschehnisse und Argumente der vergangenen Wochen Revue passieren zu lassen. Wie ernst war und ist die Versorgungssicherheit in Deutschland wirklich gefährdet?

So unsicher wie nie zuvor

Konsens dürfte darüber bestehen, dass die deutsche Stromversorgung in der zweiten Februarwoche so unsicher war wie nie zuvor. Die deutschen Netzbetreiber waren tagelang gezwungen, alle erdenklichen in- und ausländischen Notreserven anzuzapfen, um die Stromnachfrage noch decken zu können.
Sogar die sogenannte Regelenergie – ein Stromkontingent, das eigentlich nur der Netzstabilität dienen soll – war schon für den Normalbetrieb komplett verfrühstückt. In diesen dunklen Stunden hätte der ungeplante Ausfall eines Großkraftwerks in Süddeutschland ganz schnell zum Kollaps der Versorgung führen können.
Ein Blackout aber bedeutet: Zusammenbruch der Kommunikation, Ausfall großer Teile des öffentlichen Verkehrs, Tausende Gestrandete in Bahnhöfen und Flughäfen, eventuell auch Todesopfer. Von den langfristigen Folgen für die Attraktivität des Investitions- und Industriestandortes Deutschland ganz zu schweigen.

Meiler in Deutschland
Foto: Infografik Welt Online Das sind die Restlaufzeiten der AKW
Für diesmal ging es noch gut, wenn auch nur um Haaresbreite. Die deutsche Energiewende schien, in den Worten von Bundesumweltminister Norbert Röttgen, „ihren ersten Härtetest bestanden“ zu haben. Denn ein Brandbrief der Bundesnetzagentur an die rund 900 deutschen Energiehändler in der vergangenen Woche ließ ja auch den Schluss zu, dass es kein Systemfehler war, der die Stromversorgung ans Limit gebracht hatte.
Schuld waren offenbar nur einige Stromhändler, die mit fast kriminellem Vorsatz eine zu niedrige Bedarfsprognose für den Folgetag abgegeben hatten. Weil die Händler sich sicher sein konnten, dass die Netzbetreiber die Lücke mit der vergleichsweise billigen Regelenergie-Reserve ausgleichen würden, konnten sie umso höherer Profite an der Strombörse und im Export einfahren.
Selbst für ansonsten nüchtern urteilende Medien und Nachrichtenagenturen war da schnell klar: „Nicht die klirrende Kälte oder der deutsche Atomausstieg“, sondern lediglich „profitgierige Stromhändler“ hatten das Netz durch ihre „Zockerei“ an den Rand des Zusammenbruchs gebracht.

Na dann ist ja alles gut

Na dann ist ja alles gut. Dann kann ab jetzt der Staatsanwalt dafür sorgen, dass es nicht noch einmal zur Stromkrise kommt. Oder reicht das vielleicht nicht? Die Ursachenforschung blendet bislang die Frage aus, warum die „Zockerei“ der Stromhändler an diesen Tagen überhaupt so verlockend große Gewinne versprach. Und wenn früher bereits auf ähnliche Weise gezockt wurde, warum es nur diesmal auf einmal so gefährlich wurde.
Dabei liegen die Gründe dafür auf der Hand: Die Versorgungslage ist nach der politisch verfügten Abschaltung von sechs Atomkraftwerken im Sommer vergangenen Jahres so eng, dass sich schon mit kleinen Strommengen extrem hohe Gewinnmargen verdienen lassen. Konzernunabhängige Handelshäuser und Netzbetreiber sagen es jedem, der es hören will, ganz deutlich:
Wären die Atomkraftwerke in Süddeutschland noch am Netz, gäbe es einen ausreichend großen Sicherheitspuffer, um die Versorgungslage auch in wetterbedingten Ausnahmesituationen jederzeit stabil zu halten.

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